Anmerkungen zur Technik des Ausstoßens.

von Peter Krinke (8-2010)

Da dieses Thema für viele von Interesse ist, werde ich versuchen in mehreren Folgen Erkenntnisse die ich in den letzten Jahrzehnten über das Ausstoßen 
gesammelt habe darzustellen.
Wie schon in "Weniger brauchbare.....Übungen" erwähnt ist das Ausstoßen eine Schwungübung mit der Beteiligung einer ganzen Kette von Muskeln und Gelenken.
Der Hauptimpuls kommt aus den Streckmuskeln des Oberschenkels und wird durch aktive Übertragung der Muskeln des Rumpfes, der Schultern und 
Arme überwiegend mit einem Sprung in den Ausfallschritt ausgeführt.
Das heißt aber nicht, dass automatisch der Athlet welcher eine große Stärke in der Tiefkniebeuge zeigt  eine hohe Leistung im Ausstoßen erzielen muss.
Der Sportler mit einer starken Beinkraft wird grundsätzlich konditionsmäßig zwar einen Vorteil haben weil er leichter aus der Hocke kommt, aber in der Streckkraft beim Schwungholen zum Stoßen kann es trotzdem unterschiedliche Anlagen zur Verteilung in der Aktivierung der Treibkräfte zum Ausstoßen zwischen den verschiedenen Athleten geben.
Das bedeutet, dass der Heber mit einer hohen Beugekraft, nicht auch zwangsläufig immer eine vergleichbare Streckkraft in der Schwungholphase zum
Stoß entwickeln kann.

Es fiel mir schon Mitte der 70er-Jahre auf, dass es Heber gab die zwar locker aus der Hocke kamen aber dann oft keinen erfolgreichen Abschluss beim Stoß mit Maximalgewichten im Verhältnis zum umgesetzten Gewicht ausführen konnten.
Andere wieder quälten sich nach dem Umsetzen gerade so aus der Hocke und stießen das Gewicht leicht aus.
Ich versuchte damals mit Messungen herauszufinden welche anatomischen Besonderheiten bei den verschiedenen Stoßtypen dafür verantwortlich sein
könnten. Es ließen sich keine eindeutigen Daten feststellen, auch dass ich zu wenig Messwerte in einem vernünftigem Zeitraum sammeln konnte.
Da ich im Endeffekt die Anatomie des Hebers nicht beeinflussen kann, genügte mir das Wissen um diese Tatsache.

Diese unterschiedlichen Anlagen der Oberschenkelmuskulatur und der Anthropometrie der Sportler können sich daher auch auf unterschiedlich tiefe Schwungholphasen beim Auftakt zum Stoßen auswirken.
Ein Beispiel:
Der große Chigichev -1.87 m (+105kg) macht beim Schwungholen einen Auftakt bei 247 kg von nur 18 cm.
Der kleine Olympiasieger Iljyn -1,70 m (94 kg) hat einen Auftakt bei 226 kg von 22cm.Ebenso der kleine Pashaev (94 kg) mit 22 cm bei 215 kg.

Das es grundsätzlich unterschiedliche Auftakthöhen beim Stoßen zwischen kleinen und großen Hebern im umgekehrten Sinne gibt, ist schon allein wegen der verschiedenen Körpergrößen und Beinlängen vorgegeben.
Als ungünstig sehe ich es an, wenn die Tiefe der Auftaktphase vorgeschrieben wird. Damit verwirrt man nur den Sportler. Es käme sicher auch kein Hochsprungtrainer auf die Idee seinem Athleten die Tiefe der Auftaktphase vor dem Sprung über die Latte zu diktieren.
Ebenso sollte man nicht von vornherein bestimmen, z.B. welches Bein im Ausfall nach vorne gesetzt werden soll.
Der Sportler findet schon selbst heraus welches sein "Koordinations- und Kraftbein" ist. Ähnliche Verhältnisse zeigen sich z.B. auch beim Hoch- und
Weitsprung.
Die allermeisten und die talentierten Sportler sowieso, haben selbst ein Gefühl dafür wie tief sie Schwung holen müssen. Außerdem ist die relative Tiefe für das Schwungholen für verschiedene Personen auch von der Last abhängig.

Wenn tatsächlich falsch Schwung geholt wird z.B. zu tief oder zu gering erkennt man das meistens daran, dass der Heber das Gewicht nachdrückt oder kontert.
Es gibt natürlich noch andere Fehler, die das Schwungholen zum Stoßen negativ beeinflussen können, dazu später mehr.

Es wird auch immer wieder der Ausfallschritt, speziell die Stellung des vorderen Beines thematisiert.
Wie ich bei Korrekturhinweisen für Athleten gelesen habe scheint in Deutschland nur eine Standartmethode akzeptiert zu werden, nämlich die des senkrecht stehenden Unterschenkels des vorderen Beines im Ausfallstoß.
Zum Beispiel:
"
Der Sprung muss mehr nach vorn erfolgen, um die Hüfte unter die Hantel zu bringen. Der vordere Fuß muss mehr nach vorn gestellt werden, so dass 
der Unterschenkel senkrecht steht".

Oder:
"Sprung in den Ausfall insgesamt weiter vor, damit Hüfte unter der Hantel steht. Jetzt steht Hantel leicht vorn. Vorderer Fuß muss dabei etwa mindestens 4-5 cm weiter vor gesetzt werden (Unterschenkel steht dann gerade). "Vorderen Fuß gering weiter vor setzen", usw.

Der Sportler wird das Springen 4-5 cm vor, gering vor u.Ä. in der Praxis beim Stoßen kaum realisieren und umsetzen können.

Es ist außerdem zu bedenken, dass mit gerade gehaltenem Unterschenkel bei dem vorderen Bein die Möglichkeit eingeschränkt wird, das Gewicht mit beiden Beinen mit der Last gleichmäßig abzusenken.
Das Absenken des Gewichtes bei senkrechtem Unterschenkel des vorderen Beines im Ausfall kann ein tieferes, gleichmäßiges Absenken begrenzen weil dann die nachgebende Korrektur meistens mit dem hinteren Bein ausgeführt werden muss.

Oftmals werden dadurch u.A. die stabilisierenden Rückenstrecker auf einer Seite mehr belastet und es kann zu Muskelverspannungen in diesem Bereich führen.
Steht das vordere Bein nach einem noch etwas weiteren Sprung im Winkel zu weit vorne wird der Sportler Schwierigkeiten haben das das Bein wieder zurück zu setzen.
In dieser Winkelposition kann er nicht mehr die optimal mögliche Druckkraft zum Zurücknehmen des vorderen Beines aufbringen.
Mit der Last kommt man in dieser Position leicht ins Laufen oder es kommt zum Fehlversuch.

Eine gleichmäßige Ausbelastung der Beine mit erhobener Last kann man  meistens auch dadurch erkennen, dass die Kniewinkel der Beine bei den meisten 
Hebern im Ausfallschritt bei Maximalleistungen in etwa spiegelbildlich zueinander stehen.
Es spielen aber noch andere Kriterien für einen stabilen Stand im Ausfallschritt eine Rolle.

Schon in den 70 iger-Jahren war das bekannt und die absolut Besten und Idole dieser Zeit, die Olympiasieger und vielfachen Weltrekordler David Rigert,Yurik Wardanyan und Yury Zacharevich praktizierten, etwas individuell variiert, diesen Stil mit einer gleichmäßigen Belastung der Beine bei spitzem Winkeldes vorne stehenden Beines.

Lothar Spitz und der Biomechaniker Dr. Pietka, die damals über Technikabläufe im Gewichtheben Untersuchungen anstellten, schrieben schon in der 
damaligen Lehrbeilage für Gewichthebertrainer, dass diese Form des Ausfalles biomechanisch gesehen Vorteile gegenüber dem üblichen Verfahren zeigt.


Wenn man in der Konsequenz den Ausfall in seiner weiteren möglichen Tiefe verfolgt, kann man erkennen wie Olympiasieger Baszanowsky, z.B.im Ausfall- Umsetzen, nahe der Hantelschwerpunktlinie (HSL) die Hantel führen und abfangen kann.
Die Kraftverteilung ist gleichmäßig und durch den Winkel des vorderen Beines kann gut zur HSL zurück geführt werden.


Wardanian                      Baszanowski                            Zacharewitsch

Durch den relativ kurzen Stoß der Hantel von ca. 20 bis 30 cm, der in der Regel direkt an der Hantelschwerpunktlinie ausgeführt werden sollte, können höhere Gewichte ausgestoßen als umgesetzt werden. (Siehe auch nach dem Prinzip "Weniger brauchbare.....Übungen" unter Powerzug).

Rudolf Mang-techn. Disziplin Drücken
Rudolf Mang-techn. Disziplin Drücken

Ich erinnere mich noch genau an Superschwergewichtler Rudolf Mang der 1972 bei der EM in Constanza mit 230,5 kg einen Weltrekord im Drücken aufstellte.
Bei dieser Disziplin durfte nach den Regeln kein Schwung geholt werden und die Fußsohlen mussten während der ganzen Übung in vollem Bodenkontakt bleiben.
Seine Drücktechnik bestand damals darin, durch "Anschnicken" der Hantel um die Schwingung zu nutzen. Dann tauchte er nach unten ab um den Weg der Hantel auf die gestreckten Arme abzukürzen und richtete anschließend den Oberkörper auf. Mangs beste Leistung im Stoßen, ebenfalls während dieses Wettkampfes erzielt, betrug dagegen nur 222,5 kg! Durch dieses Beispiel wird deutlich welche Leistungsreserven bei der "Überkopfarbeit" noch vorhanden sind.
Die Disziplin "Drücken" wurde wenige Monate später wegen Uneinigkeit der Bewertung durch die Kampfrichter und der Gefahr schwerer Verletzungen der Sportler aus dem Wettkampfprogramm genommen.


Durch Umgreifen in einen breiteren Griff nach dem Umsetzen kann ebenfalls der Hantelweg etwas verkürzt werden, allerdings muss dann eine erhöhte Belastung der Schulterpartie in Kauf genommen werden.
Der Nachteil bei der überbreiten Griffbreite ist eine Verminderung der ballistischen Hantelschwingung vor dem Abstoßen.


Beim Schwungholen zum Stoßen mit einer zu engen Fußstellung (meist weniger als Schulterbreite) bei normal gebauten Athleten kann es ebenfalls zu einem
Ausweichen aus dem Schwerpunktbereich beim Schwungholen mit nach vorn Stoßen des Gewichtes kommen, das ist dann normalerweise als fehlerhafte Technik anzusehen.
Bei dem Bewegungsablauf Ausstoßen gibt es meiner Meinung nach die günstigsten Möglichkeiten zur Technikverbesserung.
Die anfangs erwähnte (schwächere) Schwungholphase kann durch eine spezielle Schnellkraftübung zumindest angeglichen werden.

Der am häufigsten vorkommende Fehler des nach vorne Stoßens aus dem Schwerpunktbereich heraus ,kann mit 2 speziellen Übungen, auch bei
Fortgeschrittenen mit automatisiertem Bewegungsablauf, in einem relativ kurzem Zeitraum während einer bestimmten Trainingsphase gut korrigiert werden.

Werte Sportfreunde,

ich bin immer wieder über die Resonanz überrascht welche die Veröffentlichungen vor allen Dingen über das Gewichtheben auslösen.

Auf einzelne spezielle Anfragen kann ich wegen fehlender Detailkenntnisse nicht antworten.

Das insgesamt von mir bisher Vorgebrachte entspricht nur etwa " der Spitze eines Eisberges". Es wird in Zukunft hier noch genügend Gelegenheit geben um zusammenfassende Antworten bzw. weiter Interessantes über die 

verschiedenen und komplexen Zusammenhänge der Sportart Gewichtheben zu erfahren.

Animierte GIF-Thimo Solar - technisches StoßenDatei: Herbert Heimburger  > copyright Herbert Heimburger 2010
Animierte GIF-Thimo Solar - technisches StoßenDatei: Herbert Heimburger > copyright Herbert Heimburger 2010