Methoden zur Leistungssteigerung im Gewichtheben

von Peter Krinke (3-2008)

  • Flexible Konzepte und Zusammenstellung der Übungen
  • Legende und Beschreibung der Übungen für den folgenden Musterplan
  • Der Mustertrainingsplan
  • Weitere wirkungsvolle Makrozyklen
  • Ergänzende Bemerkungen

Seit 1974 beobachte ich als Trainer das Gewichtheben in seiner Entwicklung. Meine Erfahrungen zeigen, dass seitdem die Tendenz meistens darauf hinaus lief, einen immer größeren Umfang, mehr Traininigseinheiten, höhere Tonnagen und längere Zyklen anzuwenden, um maximale 2-Kampf-Leistungen zu erzielen.

 

Ein Gewichtheber ist in gewisser Weise mit einem Formel 1 Renner vergleichbar. So die auch hohe und notwendige Intensität (Tempo) um maximale Lasten zur Hochstrecke zu bringen. Es dürfte klar sein, dass man mit einem Formel 1 Auto keine Weltreise wie mit einem Jeep antreten kann. Genauso wie es unmöglich ist, 

dass ein Gepard gemächlich wie ein Kamel die Wüste durchquert.

 

Diese Entwicklung der großen Umfänge und auch oftmals die Ausweitung der Übungen und die Kürze der Erholungsphasen können sich als kontraproduktiv erweisen.Vor allem der Testosteronspiegel kann dabei weit sinken und sich vor der nächsten TE noch im Defizit befinden. In diesem Zustand ist es dem Körper 

kaum möglich Muskulatur oder mehr Kraft aufzubauen. Das ist auch der Grund warum Testosteronpräparate zum Dopen eingesetzt wurden, nämlich um wieder kurzzeitig zu einem positiven Stickstoffwechsel und in die anabole Phase zu kommen.

 

Mancher Leistungs- und Hochleistungssporttreibende verschwendet in zu langen Vorbereitungszyklen, endlosen Sätzen und Wiederholungen und immer wieder kehrenden schon automatisierten Technikübungen in den unteren und mittleren Intensitätsbereichen in erster Linie seine Spritzigkeit und Nervenkraft. 

Er verschleudert so seine Energien die er eigentlich später für die hohe Intensität braucht, die für eine Leistungssteigerung notwendig ist.

 

Durch zu kurze Trainingspausen regenerieren die Körpersysteme unvollständig. Man kann in erstaunlicher Weise bemerken, dass solche Viel-Trainierer,obwohl sie doch wie Bodybuilder aussehen müssten oder könnten, oft in ihrem Aussehen eher dem einem normalen Bürger bzw. einem Schwerarbeiter nahe kommen.

 

Schon in den mittleren Gewichtsklassen tifft man Spitzengewichtheber mit einem relativ hohem Anteil an Unterhautfettgewebe. Dies ist möglicherweise auch eine Folge der oben beschriebenen Trainingsverfahren, die in die katabole Phase immer weitere Trainingseinheiten einfügen, die es verhindern dass sich neue bzw. stärkere Muskulatur bilden kann.

 

Nach neuesten Forschungen soll die benötigte Zeitspanne zur kompletten Neubildung von zerstörtem Muskelgewebe nach Maximalbelastungen etwa 14 bis 16 Tage betragen. Der Ersatz der verbrauchten kontraktilen Proteine (Aktin/Myosin) beträgt 72 bis 96 Std. wie man  nach neuesten Diskussionen in Forscherkreisen vermutet. Das sollte dann bei der Planung des Trainings berücksichtigt werden. 

 

Außerdem ist es überhaupt nicht nötig in dieser Sportart übermäßig Energiespeicher bestehend aus Fett und Glykogen (Kohlehydraten) aufzubauen.

Der oben erwähnte Formel 1 Renner bringt seine Leistung auch nicht mit Diesel und beim Gewichtheben spielt das AdenosinTriPhosphat welches sich aus Kreatinhydrat über KreatinphosPhat und AdenosinDiphosPhat bildet, eine der wichtigsten Quellen zur Kraftexplosion. Das Hydrat gibt es inzwischen als Nahrungsergänzungsmittel.

 

Ein leistungsorientierter Sportler sollte sich daher Grundwissen über ausgewogene Ernährung mit ausreichendem Eiweißanteil zur Neubildung und Regeneration der Muskulatur aneignen.

 

Zu viele und auch zu lange TE können, statt Spaß und Freude am Training zu bringen, schon in „Arbeit" ausarten. Dann besteht auch die Gefahr, sein Training nur lustlos abzuspulen.

 

Die Maximalkraft ist die Grundlage der Schnellkraft und diese muss auch mit schweren Gewichten erarbeitet werden. Man kann aber nicht schwer und gleichzeitig viel trainieren.

 

In der Sportart Gewichtheben ist es notwendig, die Technik nicht zu vernachlässigen. Mit zuviel Techniktraining besteht jedoch die Gefahr des Transferverlustes aus dem Maximalkraftbereich - man entwickelt so erst gar nicht sein mögliches Maximum.

 

Die Kunst des Trainers ist es, die richtige individuelle Balance zwischen Kraft, Technik und passenden Zyklus für seinen Schützling herauszufinden.

 

Bei hochqualifizierten älteren Gewichthebern, die ja sowieso über eine hohe Grundkraft verfügen (sollten), ist es fraglich ob überhaupt ein Grundlagenzyklus von mehr als 4 oder 5 Wochen angebracht ist.

 

In zu langen Makrozyklen können außerdem viele Störfaktoren eintreten, die oft zur Abweichung vom Konzept und dann zu Unsicherheit führen.

 

Die Adaption von der Vorbereitungsphase in die sogenannte Leistungsausprägungsphase erfolgt in der Regel schnell, jedoch in weiteren, in die Länge gezogenen Zyklen, kommt es in den meisten Fällen zu keiner echten Leistungssteigerung mehr.

 

Trotzdem erzielen Sportler mit diesen hohen Maximalumfangsmethoden damit Erfolge.

 

Das wird dann oft gern als Beispiel genommen und noch zu steigern versucht (2 oder gar 3 TE am Tag!). Es spricht für die hohe Qualität der Athleten aber nicht für die Qualität des Trainings, dass dann trotz dieser Belastungen evtl. Spitzenleistungen erreicht werden. Sportler die auf solche Art aufgebaut wurden, glauben auch daran, weil sie es nicht anders gelernt haben.

 

Welche Möglichkeiten mit einem effektiveren Training möglich gewesen wären, werden sie daher so nie erfahren.

 

Diese Methoden werden dann oft später in der Rolle des Trainers weitergegeben, statt mit neuen Ideen und passenden Konzepten bessere Strategien zu entwickeln. So wird dann auch nicht darüber nachgedacht, wie man die bei flexibleren Konzepten freigewordene Trainingszeit zur weiteren Leistungssteigerung optimal nutzen könnte.

Flexible Konzepte und Zusammenstellung der Übungen

  • Meiner Erfahrung nach sind 4 Trainingstage (bei optimal ausgebildeter Technik) pro Woche (7 Tage = 1 Mikrozyklus ) ausreichend, um maximale Leistungen bei intelligent aufgeteiltem Training zu erzielen.
  • Bei etwa ab 30jährigen Sportlern ist es sinnvoll, die Mikrozyklen von 7 auf 8 Tage zu verlängern, damit den langsamer werdenden Stoffwechselvorgängen Rechnung getragen wird. Das würde jeden 2.Tag GH-Training bedeuten.
  • Das Training auf Wettkämpfe hin sollte nur solche Übungen enthalten die direkt auf die Zweikampfleistung zielen.
  • Allgemeine Kraftübungen gehören in die wettkampffreie Zwischensaison.
  • Die Zyklen sollten auch konsequent und für den Sportler zielgerecht zu erkennen sein.
  • Zwischenzeitliche Umfangserhöhungen, oder gar die Hereinnahme von neuen zusätzlichen Übungen während des Zyklus sind unproduktiv.

Dazu noch ein Beispiel zur Wirksamkeit von Hilfsübungen wie Powerpress:

In den 90er Jahren gab es einen Heber unter meiner Betreuung der gerade so 80 kg Powerpress (Drücken) korrekt zur Hochstrecke brachte, dagegen war aber eine Leistung von 200 kg im Stoßen bei ihm keine Seltenheit.

Der Trainingsplan

Dieser Musterplan ist angelegt über 10 Wochen und die Wettkampfwoche, in der nur noch 2 x am Montag und Mittwoch trainiert wird, wenn der Wettkampf am Wochenende stattfindet. Er setzt sich z. B. zusammen aus 2 x 3 Wochen Vorbereitungsphase und 4 Wochen Leistungsausprägungsphase mit Wettkampf in der 11. Woche.

 

In den ersten 6 Wochen werden die Zubringerübungen mit 5 und die Kniebeugen teilweise 6 Wiederholungen trainiert. In den folgenden Wochen bis zum Wettkampf arbeitet man mit, etwas zum Schluss geänderter Anzahl der Wiederholungen beim Anstoßen  ZB 1/3 und ZE1/3, mit 3 Wiederholungen.

 

In der 10.Woche wird die Intensität um ca. 5% gesenkt. Die Wettkampfwoche sollte individuell auf den Sportler eingestellt werden. Das Beispiel im nachfolgend vorgeschlagenen Plan hat sich bisher als optimal herausgestellt.

 

Die Steigerungen und Hilfsübungen sind in diesem Musterplan prozentual eingestellt, mit Bezug zum TR und TUS. Eine individuelle Feineinstellung in kg  speziell für jeden Sportler ist in einem realen Plan natürlich erforderlich.

 

Siehe Plan XY   1. bis 11. Woche 08.

Trainingstage sind Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.

Name XY     1. bis 11. Woche > 2008

Legende und Beschreibung der Übungen für den folgenden Musterplan

  • TR= Technisch Reißen
  • ZB = Zug breit
  • HS = Hockesenken, > die Übung HS wird derzeit unterschiedlich ausgeführt. Zu empfehlen als techniknahe Variante ist folgender Ablauf: Hantel liegt mit breitem Griff hinten auf der Schulter. Der Heber steht mit angewinkelten Beinen (ca.30°) in der Breite, die er in der Endposition des Reißens in der Hocke einnimmt.  Anschließend taucht er mit gleichzeitiger Streckung der Arme (nicht Schwungdrücken) in die tiefste Hockeposition und fixiert das Gewicht (ca.2-3 sec.).
  • KH = Kniebeuge hinten KB si =Kniebeuge bis auf den tiefsten Punkt gehen, kurz fixieren und ohne Schwung aufstehen (diese Übung = bezogen auf 100% TR).
  • KV Sp.=  Kniebeuge vorn auf Spannung. Aus der angebeugten Stellung (siehe HS), die Füße in Umsatzbreite, wird langsam gebeugt, bis man mit dem Gesäß einen  ca. 25 cm hohen Bock o.Ä., der hinter dem Heber aufgestellt ist, ganz leicht berührt. Ohne Schwung wieder in die gebeugte Ausgangsstellung aufrichten und  anschließend aus der Spannung gleich wieder beugen. Das bewirkt, dass die Beinmuskeln ständig unter Spannung gehalten werden und arbeiten. Mit dieser  Variante (eigentlich nicht neu) ist ein größerer Kraftzuwachs bei geringerer Gelenkbelastung als mit den üblichen Verfahren zu erreichen. Allerdings ist dabei  wesentlich mehr die Konzentration und Psyche gefordert, als bei den gewöhnlichen Kniebeugen.
  • TUS = Technisch Umsetzen und Stoßen.
  • ZE =Zug eng.
  • SCHD Na b = Schwungdrücken aus dem Nacken mit breitem Griff = eine hervorragende Stabilisierungs- und Kräftigungsübung für den Schulterbereich, den Ellenbogen und das Handgelenk.

    Mit dieser Übung kann ein Überschuss für das Abfangen beim Reißen der Hantel in der Hocke erarbeitet werden. Einen Nutzen für das Stoßen beinhaltet diese Übung ebenfalls durch eine breitere Basis und ähnlichem Gebrauch der Muskelschlingen. Das Ziel sollte sein, nach einigen Makrozyklen in der höchsten Belastungswoche 3 Wiederholungen mit etwa 100% des Reißens zu erreichen.

    ZB 1/3 und ZE 1/3 =Zug breit und Zug eng .

    1/3 >bedeutet das Gewicht mit synchroner Körperhaltung, wie bei der jeweiligen technischen Disziplin bis knapp unter das Knie zu heben und dort kurz zu fixieren (2 sec.)

    Die Hebung muss in der Wiederholung jedes Mal mit neuer Spannung wie bei dem 1. Versuch und relativ langsam und kontrolliert durchgeführt werden. Das heißt nicht einfach rauf und runter wippen, sondern der Auftakt soll jedes mal in kompletter Form wie beim TR oder TU ausgeführt werden. Das Ziel nach einigen Makrozyklen 90 bis maximal  ca.110%  und  1 bis 3 Wiederholungen.
  • SS =Ständerstoßen.
  • Anst.=Anstoßen > möglichst aus einem isometrischem Reck oder von einem Kasten. Eingestellt auf die individuelle Schwungholhöhe des Athleten > im Mittel sind das 20 cm. 
  • SCHD = Schwungdrücken
  • Sprünge = Sprünge aus dem Stand. Empfohlen sind Sprünge mit einem Bein auf Treppenstufen (12 Treppenstufen insgesamt) .Zum Beispiel: 1 Satz 1erTreppenstufen (1x2 Sprünge u.s.w.), 1 Satz 2erTreppen, 1 Satz 3er Treppen und 2 bis 5 Sätze 4er Treppen.
  • Bauchmuskulatur: 3 x, z.B.1 Satz Beinheben an der Dipsmaschine (mit Bel.).1 Satz Beinheben seitwärts an der Sprossenwand. 1 Satz Crunch, auf dem Boden liegend, den Oberkörper leicht anheben bei hochgestellten Knien und halten (eventuell mit Belastung).
  • Weitere technische Übungen die individuell erforderlich zur Anwendung kommen können, sind Ständerstoßen vom Nacken = SS Na und die Übungsverbindung  Schwungdrücken und Stoßen = SCHD+S.
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Musterplan

Weitere wirkungsvolle Makrozyklen

Besonders für Jugendliche ist der 3 und 4 Wochenrhythmus angebracht. Dazu kommt die Wettkampfwoche. Vorgeschlagen wird von mir dazu eine 3 Wochen Vorbereitungsphase und 4 Wochen Leistungsausprägungsphase plus die Wettkampfwoche. Diese Methode hat den Vorteil, dass mit diesen kurzen, bis zu 5 bis 6 Zyklen pro Jahr, in kleinen Schritten jedes mal Leistungssteigerungen bei jungen Sportlern möglich sind.

 

Für talentierte Anfänger und Jugendliche ist es, um diese Trainingsempfehlungen zu nutzen,unbedingt notwendig, vor Beginn einer leistungssportlichen Karriere sich mit viel Fleiß und häufigem Üben eine optimale und wettkampfstabile Technik anzueignen. Das Üben mit relativ leichten Gewichten und vielen ergänzenden, vielseitigen Übungen erschöpft die Körpersysteme nicht in besonderem Umfang, weil ja auch der junge Anfänger sowieso in einer anabolen Phase (Pubertät) und verständlicherweise noch weit von seinen maximalen Belastungsmöglichkeiten entfernt ist.

 

Für hochqualifizierte ältere Athleten kommt eher der Zyklus mit 4 bis maximal 5 Wochen Grundlage und 7 Wochen Leistungsausprägung plus Wettkampfwoche in Betracht.  Da wie oben schon erwähnt, die Grundkraft bei diesem Personenkreis vorhanden sein sollte, muss man nicht notwendig seine Energie für zusätzliche Kraftübungen verschwenden. Für diese Sportler ist intramuskulärer Reiz für die Anwendung hoher Intensitäten und starker Willen angesagt.

 

Einige ergänzende Bemerkungen zum Training und Vorbereitung zum Wettkampf

Ende der 70iger Jahre stellte ein ungarischer Forscher schon fest, dass bei über 90% der Fehlversuche im Reißen die Ursache beim Wegheben lag.  Deswegen ist die Anwendung und Ausführung der o.A. 1/3 Übungen und der Spannungskniebeuge so bedeutend.  Zur Verdeutlichung stelle man sich einen Sprinter vor der gegen seine Konkurrenten ohne Startblöcke antritt oder noch klarer, dass ein Kugelstoßer von einem Trampolin seinen Stoß ausführt.  Das Wegheben ist der Start des Gewichthebers und er hat in der Kürze der Übung nicht die Möglichkeit noch Zehntelsekunden oder cm gut zu machen.  Die mit diesen Übungen antrainierte Maximalkraft ist der Garant für eine hohe v max. im Reißen und Umsetzen ohne Geschwindigkeitsverlust. Das Argument bis kurz vor dem Wettkampf trainieren zu müssen damit die Körperspannung bleibt entbehrt der Logik.

 

Ein Beispiel aus der Tierwelt. Der schon erwähnte Gepard läuft auch nicht ständig angespannt durch die Prärie, sondern spannt sich erst dann wenn er die Spannung zur Jagd oder Flucht benötigt.  Man hat auch noch nie von einem Marathonläufer gehört der seinen Puls ständig auf 120 Schläge hochhält.  Es ist eine Sache der Konzentration und Einstellung seine gewollte Spannung zum richtigen Zeitpunkt aufzubauen. Nicht günstig für eine konstruktive Trainingsplanung liegen derzeit die Termine der Ligakämpfe.In den 70iger Jahren fingen die Kämpfe Anfang September an und endeten nach einem 2 Wochen-Ryhtmus Ende November.  Die Meisterschaften fingen Ende März mit der Bezirksmeisterschaft an und endeten im Mai mit der Deutschen Meisterschschaften. Dazu wurden noch eine Sommer und Winterpause eingehalten. Meine Vision ist es, die Maximalkraft über Teilstrecken des Gewichthebeablaufes gegenüber dem jetzigen Stand höher zu entwickeln.