Gewichtheben auf einer kleinen Insel im indischen Ozean

Sportfreund Maximilian, Medizinstudent und Rugbyspieler aus Giessen, betreibt seit gut 2 Jahren Gewichtheben und Krafttraining beim ASC-Zeilsheim.

PK

 

Bericht von Maximilian Reichard

Im letzten Winter hatte ich, durch ein Pratikum im Rahmen meines Studiums, die Gelegenheit 4 Monate auf der Insel La Reunion zu verbringen.
La Reunion liegt im Indischen Ozean - gleich neben dem schönen Mauritius und ist dessen "Cousine". Die Menschen die dort leben heißen Kreolen sind eine wilde Mischung aus Vorfahren verschiedenster Kontinente: Sklaven aus Afrika, Arbeiter aus Indien und China, sowie die ehemaligen französischen Kolonialherren formen eine Gesellschaft.

 

Gewichtheben auf La Reunion ist unter dem Dach des französischen Gewichtheberverbandes FFHMAC organisiert. In Saint-Pierre, der Hauptstadt des Südens fand ich nach einigem Suchen Anschluss an den örtlichen Gewichtheberverein, den CLUB HALTEROPHILE DU TAMPON. Zufälligerweise einer der größten der Insel.
Zum Verständnis der Rahmenbedingungen muss man wissen, dass Sport im Allgemeinen in Frankreich in einem viel stärkeren Maße staatlich subventioniert wird als das hierzulande der Fall ist. Jede Stadt ab etwa 30000 Einwohner Größe verfü
gt über mindestens eine große Sportanlage mit Stadion. Diese sind nicht immer brandneu, aber exzellent in Schuss. Das geschieht nicht aus Altruismus:
Die Grande Nation holt sich einen beträchtlichen Anteil des Sporttalents fü
r ihre Nationalmannschaften aus den Überseedepartements. In den Katakomben eines solchen Stadions befand sich auch die Trainingshalle des CHT.
Das ist insofern ein wichtiger Unterschied zu unseren hiesigen Krafträumen als dass es bedeutet, daß nicht nur die "Heber" in diesen Räumen ein- und ausgehen, sondern alle jungen und alten die in diesem Komplex ihren Sport verfolgen - vom Fußballer bis zum Judoka.
Passend zur Insulanischen Offenheit werden hier keine strikten Grenzen gezogen zwischen Sportarten. Es gibt reine Gewichtheber, es gibt Rugbyspieler, die sich in der Saisonpause mit Gewichtheben bei Kräften halten und es gibt den Judoka, der kaum selbst hebt, aber aus freundschaftlicher Verbundenheit mit der Mannschaft zu Wettkämpfen fährt und selbst als Schiedsrichter tätig wird.
Alle sind sich verbunden durch die Liebe zur Athletik. Einen entscheidenden Vorteil bringt die Sache auch mit sich:
Jede Woche stehen neue, junge Gesichter, Mädels wie Jungs, in der Tü
r und wollen wissen, was man mit der Langhantel machen kann. Nicht wenige fangen an, im Verein zu trainieren. Dabei müssen sie sich aber nicht unbedingt sofort entscheiden, zwischen z.B. dem geliebten Fußball und der Hantel - man kennt sich untereinander und stimmt die Pläne aufeinander ab.

 

Desweiteren betreiben die Vereine auch aktiv Werbung, indem sie bei dem immer warmen Wetter die Hanteln einpacken, an den Strand fahren und dort "Lehrgänge" für jedermann abhalten - was auch immer reichlich Kinder und Jugendliche anzieht.
Der Altersdurchschnitt der aktiven Heberschaft liegt deshalb geschätzt bei maximal 15 Jahren. Es gibt in Reunion etwa 50 aktive Gewichtheber, die regelmäßig an Wettkämpfen teilnehmen. Davon sind 1/4 Senioren, der Rest also Kinder und Jugend.

 

Nach einer überaus herzlichen Aufnahme durfte ich im Verein trainieren und hatte vor allem viel Gelegenheit die Gewichtheberszene zu studieren und auch auf Wettkämpfe mitzufahren.

Das Trainingsmaterial ist vom Feinsten: Alles neu und von Eleiko.

 

Statt sentimentaler Details hier ein paar Eckdaten der Inselheber: Das sind die Ergebnisse der Regionalentscheide vom Frühjahr 2014 (siehe Foto).

Es ist zu erkennen, dass hier große Schwankungen in den Leistungen bestehen. Das liegt einfach daran, dass es eben ein überschaubarer Kreis von Athleten ist und in manchen Gewichtsklassen einfach kaum Heber da sind. So kommt es bei den Junioren -105kg zu einer Erstplatzierung mit einem Stoßen von 77 kg, während der Kollege in der gleichen Altersgruppe bei -56kg 100 kg stößt.

 

Wie oben erwähnt, zählt Frankreich darauf, die besten Talente abzusahnen und dann in einem seiner Leistungszentren in Europa auf Internationales Niveau zu trimmen. Nicht selten stellt das für die Sportler eine Zerreißprobe dar. Für eine unsichere Karriere Familie, Freunde und Sonne mehr als 10000 km hinter sich zu lassen, so dass sich auch viele gegen eine sportliche Laufbahn entscheiden.

 

Zum Training:

Die Leistungssportler des Vereins trainieren an 5 Tagen in der Woche.

 

Was mir auffiel: 

In wechselnden Anteilen - je nach Trainingsphase - scheint mir dabei die "Musculation", also der Aufbau von Muskelmasse, auch durch allgemeine Kraftübungen wie Klimmzüge oder Hyperextensions einen recht großen Stellenwert zu haben.

 

Es wird stark das "Großwerden" ("Grandir") betont, das Lernen der Reißtechnik besteht zunächst im Standreißen (?) mit langmachen bis auf die Zehenspitzen, der Zug unter die Hantel kommt nicht so stark zur Sprache.

 

Insgesamt haben sie ein ziemlich hohes Trainingsvolumen, wenn man bedenkt dass viele auch eben noch andere Sportarten nebenher treiben.

 

Bei den Kleinen ziemlich viele Wdh. in technisch Reißen/Stoßen (5) mit  kurzen Satzpausen, vielen Sätze - also viel Volumen.

 

Es scheint eher nach Gefühl und groben Vorgaben für die Zielgewichte bis zum nächsten Wettkampf trainiert zu werden, als nach strengen Vorgaben auf das Kilo genau.

 

Alles in allem war es ein sehr abwechslungsreicher und interessanter Einblick in den Sport am anderen Ende dieser Welt.