Teil 5: Beintraining für das Reißen und Stoßen

von Peter Krinke      15-6-2017                                                       

Wie in Teil 2 bereits angedeutet, wird die benötigte Schnellkraft im Reißen und Stoßen überwiegend durch die Beine erzeugt.

 
Die Schnellkraft setzt sich aus aus der Start- und Explosivkraft zusammen.Eine Grundlage dazu ist die Maximalkraft, also muss dem Maximalkrafttraining der Beine ganz besonders Beachtung geschenkt werden.

 

 Die Kniebeugen gehören grundsätzlich an den Beginn einer Trainingseinheit!

Es genügt vollkommen, dass Kniebeugen nur einmal in der Woche mit 5 bis maximal 6 Sätzen trainiert werden.

Diese Erkenntnis habe ich aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung mit Normal- und Hochleistungssportlern im Gewichtheben und Kraftdreikampf gewonnen.

Neben den Kniebeugen werden im Wochentraining zusätzlich durch Hocke-Senken, Umsetzen und Reißen verschiedene Belastungsreize für die Beine gesetzt.

Dadurch besteht die Gefahr, dass bei mehr als einmaliger spezieller Kniebeugen-Auslastung zu viele Sarkomere (Proteinketten) im Muskel zerstört werden, es kommt im Endeffekt dann weniger dabei heraus als es möglich gewesen wäre.

Viel hilft da nicht viel, man muss das Optimum trainieren!

Es hat sich nach meiner Erfahrung bewährt die Kniebeugen entweder als erste Übung, oder direkt nach einem eher kurzen Trainings des Reißens (dient gleichzeitig als Erwärmung für die Kniebeugen) auszuführen.
Man sollte um Energie und Zeit zu sparen, möglichst rasch mit seinem KB-Zielgewicht beginnen.

Die wichtigste Kniebeugevariante zur Maximalkraftsteigerung für das Gewichtheben ist die KB vorne auf Spannung. Diese sollte mindestens in der fundamentalen Vorbereitung (siehe Kapitel 19) über 9 Wochen, dass sind 9 Trainingseinheiten, nach dem in diesem Kapitel aufgezeigten Prinzip der Be- und Entlastung ausgeführt werden.

Bei der Ausführung dieser Kniebeugen werden die Beinmuskeln über den trainierten Muskelstrukturbereich im 100%-Bereich ausgelastet. Die Zeitdauer sollte für diese konzentrisch/exzentrischen Belastung in etwa gleich sein.
Siehe auch ,weiter oben Teil 1 + 2 Maximalkraft.

 

Richtig dosiert und richtig ausgeführt, beträgt dabei die Dauer eines Satzes Kniebeugen in der schwersten Phase, z.B. in der 9. Woche für 5 Wiederholungen mindestens 30 sec. normal bis zu 40-45 sec.).

 

 

Ungefähr 80% der Kniebeugen werden vorn ausgeführt (z.B. 4 Antritte vorne und 1 x hinten).
Die Kniebeuge vorn entspricht am ehesten der Körperhaltung beim Start und Umsetzen.

Werden diese Ausführungsbedingungen und die passende Dosierung der Belastung erfüllt, wird mit diesem Training bei normalen Sportlern und Hochtalentierten ein deutlicher Kraftzuwachs erreicht.

Die Pausen zwischen den Sätzen müssen 5 – 10 Min. oder länger sein.
Zur Adaption braucht das Nervensystem Ruhe!

Ansonsten trainiert man überwiegend die ermüdungsresistenten Muskelfasern, statt die für das Gewichtheben notwendigen schnellen/starken weißen IIb-Typ -Fasern (siehe auch Kapitel 4).

Zur Ausführung der oben beschriebenen exzentrisch-konzentrischen Spannungskniebeuge wurde von Schlumberger/Schmitdbleicher nachgewiesen ( Leistungssport 3/98 ), dass ein solches Training deutlich Vorteile in der Entwicklung der dynamischen Maximalkraft gegenüber anderen Methoden bringt.

 

 

Dieses fundamentale Aufbautraining von 9 Wochen + Übertrag von 3-4 Wochen zum Wettkampf bzw. einer Serie von Wettkämpfen, sollte idealerweise 3 x pro Jahr durchgeführt werden um über Jahre hinweg kontinuierlich und systematisch sein Kraft- und Leistungspotential entwickeln zu können.

 

Leider ist der „BVDG Wettkampfkalender“ für solche wirkungsvollen und gut durchführbaren Konzepte nicht geeignet.

Ich persönlich erkenne nur eine konfuse Anhäufung von Wettkämpfen, dazu noch Testkämpfe o.Ä. für den Nationalkader, statt der notwendigen ausreichend langen Wettkampfpausen um die immer weniger werdenden Talente kontinuierlich zu olympiareifen Leistungen zu bringen.

 

Das Ganze fängt schon ungünstig bei unseren Kleinsten an. Irgendwann muss man doch mal bemerken, dass wir im 21. Jahrhundert leben und nicht immer nur die uralten Methoden verschlimmbessern.

Zu diesem Thema wird es ein gesondertes Kapitel geben.

 

In der Wettkampfperiode können auch die üblichen Kniebeugen zur Anwendung kommen. Da sollte man aber darauf achten, dass diese nicht mit ballistischer Ausführung gemacht werden.

Besser ist aber, man beginnt schon bei Anfängern mit diesen Spannungs - Kraftübungen und bleibt dabei, weil der Körper und das Nervensystem sich von Anfang an sehr gut darauf einstellen können und auch die dadurch differenzierte Belastung zwischen Maximalkraft und Schnellkrafttraining zusätzlich positive Anpassungsergebnisse zeigt.

Hockesenken für das Reißen bewirkt u.A. dass es im Gegensatz zur Spannungskniebeuge zu einer vollen Dehnung der vorderen Beinmuskeln kommt. Die Hantel sollte dazu in der tiefsten Hocke-Position jedes mal kurz (2-3 sec.) fixiert werden!

Foto: Israel Arsamakov

 

Mit Hockesenken für das Umsetzen wird das schnelle Aufstehen nach dem Umsetzen simuliert.
Bei dieser Übung wird mit schnellstmöglicher Ausführung die Schnellkraft für das Aufstehen aus der Hocke trainiert.

Diese Übung sollte nur bei spezieller Schwäche im Umsetzen vorübergehend und dann nur in wenigen Sätzen und 1er oder 2er-Wiederholungen ausgeführt werden.

 

 

Ausfallkniebeugen li +re sollten nur mit leichter Belastung und als Gymnastik trainiert werden, damit durch das asymmetrische Ausfallstoßen, keine Disbalancen vor allem in der Kreuzgegend entstehen .

 

Weitere Schnell- und Maximalkraftsteigerung kann durch Plyometrie, (reaktives Bewegungsverhalten) mit Sprüngen z.B. zwischen 2 Böcken in 3 bis 5 Serien a 10 Wiederholungen oder aus einer höheren Position, dann aber mit wenigen Wiederholungen erzielt werden.

Die vielen WH aus niedrigerer Position fördern bevorzugt die Schnellkraft und aus erhöhter Position (wenige WH) die Maximalkraft.


Diese Sprünge müssen grundsätzlich in ausgeruhtem Zustand zu Beginn oder in einer gesonderten Trainingseinheit ausgeführt werden!

 

Am Beispiel der jungen Gewichthebe-Anfängerin (KG ca. 60 kg) kann man erkennen
welche Belastungskräfte, hier mit f: 414% NMK mit dieser Methode entwickelt werden.